Ratenkauf für Tiefflieger

Bis vor kurzem dacht ich, dass Deutschland im Laufe der Zeit gelernt hat, sich nicht allen Mist verkaufen zu lassen. So gibt es heute ja kaum noch die super rentablen Investmentmöglichkeiten in Pyramiden-Spielchen, mit denen sich ein paar kreative Nepper eine Goldene Nase auf Kosten von cleveren Investoren mit niedrigem Bildungsstand verdienen konnten. Irgendwann haben dann endlose Reportagen im Fernsehen auch die letzte 17-er Nuss davon überzeugen können, dass diese Angebote nicht unbedingt einen positiven Erwartungswert haben und man daher doch bitte mal die Fingerchen davon lassen sollte.

Was es zur selben Zeit wie die Pyramiden-Spiele gab, waren diese Zeitschriften, bei denen in jeder Ausgabe ein paar Teile eines Modell-Bausatzes dabei war. Davon habe ich ja auch schon lange nichts mehr gehört - bis vor wenigen Wochen! Momentan gibt's da ein neues Heftchen zum Thema Titanic. Und jedes mal, wenn diese Werbung im Fernsehen läuft, komme ich nicht umhin, über Sinn und Unsinn dieses Heftes nachzudenken, bzw. mir vorzustellen, welche lustigen Späße sich die Herausgeber dieser Zeitschrift mit ihren Lesern erlauben könnten.

Zuerst wundere ich mich ja mal, wie lange es dauert, bis so ein meterlanges Schiff dann endlich mal komplett zusammengekauft ist? Wenn man erst mal angefangen hat, sich das Heft zu kaufen, dann ist doch spätestens nach 6 Monaten das Grenzleid so hoch, dass man das Heftchen immer weiter kaufen geht, da man ja guter Hoffnung ist, dass das letzte Teil (vermutlich der Eisberg) schon irgendwann mal geliefert werden muss.

Man befindet sich also früher oder später fest in der Hand des Verlegers und der kann sich dann auch sicher sein, dass er seinen Absatz für die nächsten 25 Jahre (so ne Titanic kann man sicher in ganz schön viele Teile zerlegen, die dann auch ebenso viele Hefte füllen) gesichert hat. An dieser Stelle will ich dann auch gleich darauf hinweisen, dass man ein solches Projekt nur dann starten sollte, wenn man noch nicht älter als 35 Jahre ist und bei guter körperlicher Verfassung. Wäre doch schade, wenn man nach Jahren der Treue das letzte Teil nicht erleben würde! Also nicht für den Erblasser (finde dieses Wort so schön, da man nicht weiß, ob er nun ein Erbe lässt oder erblasst ist, was am Ende zwar aufs Selbe rauskommt, aber zumindest vom Wort her einen Unterschied macht) sondern auch für die Erben, die dann quasi in der Pflicht stehen, den Letzten Willen zu erfüllen und weiterhin das dumme Heft zu kaufen. So schön kann ein Erbe sein!

Aber mal abgesehen davon, dass man mit dem Kauf des Heftes quasi einen Vertrag auf ungewisse Zeit abschließt, kann sich ein lustiger Verleger da noch viel mehr Späße einfallen lassen. So wird in der Werbung z.B. gesagt, dass in Heft 1 der komplette Bug der Titanic enthalten ist. In den nächsten Ausgaben geht das dann langsam weiter und wenn man sich seiner Kunden sicher ist, beginnt der Spaß! So kann man dann irgendwann mal in einem Heft einen Schornstein liefern, obwohl der noch gar nicht am Rest befestigt werden kann, dann mal alle Schotten in einer Ausgabe, mal ein Geländer für eine Treppe, die es noch nicht gab u.s.w. So steigt dann die Schadenfreude beim Verleger proportional zur Anzahl unverwertbarer Einzelteile beim Kunden, der aber wegen dem bereits versenkten Geld immer schön weiter kaufen wird - irgendwann werden die Verbindungsteile ja sicher geliefert werden?!?

OK - nun aber mal Spaß bei Seite und zu was handfesterem: der ökonomischen Interpretation eines solchen Käufer-Verkäufer-Verhältnisses. Das ganze gestaltet sich ja so, dass man über eine längere Zeit hinweg in kleinen Beträgen dafür zahlt, dass man eine Titanic bekommt. Das Ganze erinnert doch schwer an einen Ratenkauf, oder? Einziger Unterschied: beim Ratenkauf bekomme ich schon am Anfang mein Auto/Fernseher/Waschmaschine und bezahle in der Zeit, in der ich die Kiste schon nutzen kann. Bei dem Titanic-Modell sieht das ganze doch irgendwie anders aus, oder will mir jemand weismachen, dass ich mir den Bug der Titanic aus Heft 1 in meine Wohnzimmer-Vitrine neben meine besten Sammeltassen stellen soll? Wohl nicht wirklich, oder? Da frage ich mich also, warum man sich so ein Heft kauft? Kapitalbindung auf ungewisse Zeit in einem Gegenstand, mit dem ich bis zum letzte Heft nicht wirklich viel anfangen kann. Da kann ich doch gleich in einen Laden gehen und mir heute schon einen kompletten Bausatz kaufen. Wenn ich den dann auch noch in Raten finanzieren kann, wäre das doch ein super Deal!

Nun könnte man natürlich sagen, dass ich bei dem Heftchen ja nicht nur den Bausatz bekomme, sondern auch immer noch ganz tolle Informationen über die Titanic! Aber was soll denn bitte in den Heften stehen, was man noch nicht im Kino oder irgendwelchen Reportagen sehen konnte? Eine detaillierte Liste der Opfer, mit Hintergrundinformationen wie Geburtsdatum, Beruf und Krankheitsbild zum Tag der Tragödie? Klar - diese Infos kann man schon abdrucken, nur wen interessiert das denn wirklich? Und wieder mal sind wir bei der Gnadenfrist von 6 Monaten. Die ersten Hefte liest man noch Infos die man zwar schon kannte, die aber immerhin noch interessant sind. Später kommt dann wohl nur noch Mist ins Heft und somit wandert es dann auch auf direktem Weg in den Müll, nachdem man sich die Bauteile rausgenommen hat. Nicht gerade, was ich optimale Ressourcenallokation nennen würde!

Fragen über Fragen, die hier nun aufgeworfen wurden und die einem gezeigt haben, dass ein Bausatz-Heftchen ein ebenso abenteuerliches Investment ist, wie ein Pyramiden-Spiel. Und auch hier sollte man sich dann mal fragen, wie dumm man denn bitte sein muss, um sich auf diese Form der Raten-Verarsche einzulassen? Wird wohl auch nicht mehr lange dauern, bis es auch zu diesem Thema Reportagen mit ernst klingender Moderation gibt, um in Zeiten wirtschaftlicher Schwäche die dummen Leute dieses Landes vor solchen Fehlinvestitionen zu bewahren.

Und was ich mich bei diesem speziellen Titanic-Heft noch zusätzlich frage: hat das Modell so was wie ne Sollbruchstelle? Oder baut man von Anfang an das zerbrochene Modell? Werden da kleine Modell-Wasserleichen mitgeliefert? Kann man den Kapitän an Deck befestigen, damit er das sinkende Schiff wirklich nicht verlassen kann?

So - jetzt ist aber gut! Hoffe, dass ich ein paar Leute hiermit belustigen und andererseits ein paar Toastbrote davon überzeugen konnte, dass diese Hefte der totale Schwachsinn sind!

 

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